Jetzt herrscht Unfriede bei den obersten Bundesgerichten. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 22.06.1995 zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer die Gelegenheit genutzt, die verfassungsmäßigen Schranken der Besteuerung zu beschreiben. Der 3. Leitsatz der Entscheidung lautet: Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt. Der Halbteilungsgrundsatz besagt, daß eine Steuergesamtbelastung über 50 % nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Jetzt hatte der Bundesfinanzhof einen Fall zu entscheiden, in welchem die Ertragsteuerbelastung (Einkommen-, Kirchen- und Gewerbeertragsteuer) über 60 % betrug. Der Kläger hatte sich auf den Halbteilungsgrundsatz berufen. Der Bundesfinanzhof entschied jedoch, daß dieser Grundsatz keine Gültigkeit habe. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei nur für die Vermögensteuer verbindlich. Wer den obigen Leitsatz gelesen hat, der weiß, daß dies nicht zutreffend ist. Der Kläger hat gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs Verfassungsbeschwerde eingelegt. Jetzt wird der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts erneut über den Halbteilungsgrundsatz entscheiden, allerdings in anderer Besetzung. Vielleicht erledigt sich diese Streitfrage durch die geplante Unternehmenssteuerreform ab 2001.
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