Größter Kritikpunkt an der Abgeltungsteuer ist seit deren Einführung der generelle Ausschluss des Werbungskostenabzugs bei Kapitaleinkünften. Begründet wurde das Werbungskostenabzugsverbot unter anderem damit, dass der vergleichsweise niedrige Steuersatz von 25 % den Werbungskostenabzug bereits typisierend mit abgelte. Trotzdem gibt es nach wie vor erhebliche Bedenken zum Werbungskostenabzugsverbot, die auch das Finanzgericht Baden-Württemberg teilt. Als erstes Finanzgericht hat es sich mit der Problematik ausführlich auseinandergesetzt und dabei ganz im Sinne der Steuerzahler entschieden.
Das Werbungskostenabzugsverbot hält das Finanzgericht nämlich für einen massiven Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte objektive Nettoprinzip. Hier würden alle Steuerpflichtigen schlechter gestellt, die zur Erzielung ihrer Einnahmen aus Kapitalvermögen Werbungskosten von mehr als 801 Euro (das ist der Sparerpauschbetrag, bis zu dem Kapitaleinkünfte steuerfrei sind) aufgewendet haben. Weil das objektive Nettoprinzip auch im Rahmen der Abgeltungssteuer gilt, reichen die vom Gesetzgeber zur Typisierung angeführten Gründe daher nicht aus, um einen vollständigen Ausschluss des Werbungskostenabzugs zu rechtfertigen, meint das Gericht.
Das Urteil des Finanzgerichts ist jedoch noch kein genereller Freibrief für Kapitalanleger, ihre Werbungskosten geltend zu machen. Zum einen muss jetzt erst einmal der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren über die Frage des Werbungskostenabzugsverbots entscheiden. Außerdem hat das Finanzgericht den Werbungskostenabzug erst einmal nur für eine begrenzte Zahl von Fällen als weiterhin zulässig eingestuft.
Im Streitfall ging es nämlich um einen Sachverhalt, bei dem der Durchschnittssteuersatz der Klägerin bei 14,3 % und damit unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % lag. In diesem Fall zieht nämlich das Argument nicht, dass der niedrigere Abgeltungsteuersatz die Werbungskosten gleich mit abgelten würde, weil die Abgeltungsteuer hier sogar höher ausfällt. Das Finanzgericht hat daher entschieden, dass im Rahmen der Günstigerprüfung die Kapitaleinkünfte unter Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten zu ermitteln sind. Über den Werbungskostenabzug in den Fällen, in denen die Abgeltungsteuer niedriger ist als der persönliche Steuersatz musste das Finanzgericht nicht entscheiden und hat dazu auch ausdrücklich keine Aussage getroffen.
Für Kapitalanleger bedeutet das Urteil erst einmal, dass sie gegen ihren Einkommensteuerbescheid mit Verweis auf das Verfahren Einspruch einlegen können. Da beim Bundesfinanzhof bereits die Revision anhängig ist, ruht der Einspruch damit automatisch bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Das gilt allerdings nur für Sparer, bei denen der Durchschnittssteuersatz ebenfalls unter 25 % liegt. Ob die Finanzverwaltung im Hinblick auf das Verfahren auch bei anderen Sparern den Einspruch ruhen lässt, ist derzeit noch ungewiss. Schaden kann ein Einspruch aber nicht.
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